Chronik der Niederdeutsche Bühne Rheine
Erste Theatererfolge mit „usse plattdütsken Moderspraok“
Aus der Chronik der NDB: Von der Gründung 1885 bis 1935 – Folge 1
Am Ende des 19. Jahrhunderts regte Bischof Wilhelm Emanuel Ketteler die Gründung von Arbeitervereinen auch in Rheine an, um die sozialen Nöte der Arbeiter durch Geselligkeit und aktives Freizeitgestalten erträglicher zu machen. Es gründete sich der „Katholische Arbeiterverein St. Paulus Rheine“ (1881) mit einer Gesangs- (1886) und Musikabteilung (1889), einer Turngruppe (1908) und – als erster Verein dieser Entwicklung – eine Theatergruppe. Als Geburtsjahr der Theaterabteilung der „KAB – St. Paulus e. V. Rheine“ steht das Jahr 1885 fest.
Aber eine junge Theatertruppe braucht nicht nur spielfreudige und spielbegabte Akteure, sondern auch ein Bühne. Die Chronik der Niederdeutschen Bühne (NDB), die ab 7. März zum Kauf vorliegt, berichtet vom mühevollen, aber engagiert erfolgreichen Bühnenbau im ehemaligen Vereinshaus der KAB, dem 1990 abgerissenen Paulushaus.
Das Spiel „Der Herrgottswinkel”, 1928
Das „Repertoire“ der jungen Theaterabteilung umfasste in den ersten 30 Jahren seit ihrer Gründung hauptsächlich Ritterschauspiele und religiöse Stücke wie „Der Herrgottswinkel“, „Der schwarze Ritter“, „Dreizehnlinden“ oder auch „Genovefa“. Die Regie lag in den Händen des Präses Kaplan Fortmann (bis 1913) und seines Nachfolgers Kaplan Hölker (bis 1919). War es das antike Vorbild oder die geistliche Hand dieser theatralischen Aktivität, jedenfalls war es damals selbstverständlich, dass Frauen nicht auf die Bühne durften und alle weiblichen Rollen somit von Männern gespielt werden mussten. Als Bühnenlicht diente eine „hochmoderne“ Gasbeleuchtung (ab 1906), sie durfte das (männliche) Agieren auf der Bühne ohnehin nicht immer ins „grelle“ Rampenlicht gestellt haben.
In den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts, als in Deutschland das Theaterleben durch Bertolt Brecht und Max Reinhardt einen ungeahnten Schub bekam, kamen auch Wandertruppen nach Rheine und die KAB-Spielschar musste sich dieser „Konkurrenz“ stellen. Und sie tat es mit einer „Besonderheit“, die die damaligen Zuschauer der NDB-Aufführungen erfreute und bis auf den heutigen Tag als ihr „Markenzeichen“ gilt: Man spielte die Rollen glaubhaft und bodenständig, und das hieß und heißt: in plattdeutscher Mundart!
Der Erste Weltkrieg unterbrach die Arbeit der Theatertruppe, doch gleich nach Beendigung des Krieges wurde der Spielbetrieb wieder aufgenommen. Die Spielleitung übernahm wieder Kaplan Hölker; dann ging diese aber rasch in Laienhände über, eine gute Entscheidung bis auf den heutigen Tag. Johann Raasing übernahm 1919 die Regie, nach seinem Ausscheiden abgelöst von Bernhard Exeler, Clemens Löchte, Andreas Becker und Franz Reidegeld, die in dieser Reihenfolge bis zum Jahre 1935 die Spielleitungen innehatten.
Die Frauen drängten erstmals auf die Bühne
im Stück „Königin Magdalena und das Türkenmädchen“, ca. 1920
Ab 1920 war das Repertoire auf das plattdeutsche Volksstück konzentriert, und auch Frauen waren in ihren Rollen endlich auf der Bühne zu sehen. Der Erfolg blieb nicht aus: Acht bis zehn Vorstellungen vor ausverkauftem Hause (das Paulushaus hatte fast 500 Sitzplätze) waren keine Seltenheit.
1933 setzten sich die Nationalsozialisten auch auf den kulturpolitischen Ebenen durch. Die Spiele der Theaterabteilung standen zwar nicht direkt im Gegensatz zum Interesse der Nazis, da sie aber von einer christlichen Vereinsgruppe aus- und aufgeführt wurden, war es nur eine Frage der Zeit, wann der Verein und damit auch die Theaterabteilung aufgelöst wurden.
Das letzte Spiel der KAB-Spielschar war 1932 „Der Zechenturm“, es wurde von den Nazis verboten, weil es als zeitkritisches Schauspiel zur sozialen Frage der Arbeiterschaft Stellung nahm. Es kam dann erwartungsgemäß am 14. September 1935 zur Auflösung des Vereins. Alle Requisiten, Textbücher, Kostüme, Dokumente, Auszeichnungen u. ä. sind bei der Auflösung des Arbeitervereins und damit auch der Theaterabteilung der Vernichtung zum Opfer gefallen.
Der Sprung vom Paulushaus ins Metropol-Theater
Aus der Chronik der NDB: Von der Stunde „Null“ bis 1966 – Folge 2
Es ist für den heutigen Leser verwunderlich und bewundernswert zugleich, wie sich unmittelbar nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges, quasi aus dem Nichts, eine Laienspielschar teils junger und teils erfahrener Schauspieler gebildet hat. Und es dauerte nur acht Jahre, bis sich die „Niederdeutsche Bühne Rheine“ (NDB), die in diesem Jahr ihr 125. Jubiläum feiert, damals formierte. Ihre theatralische „Neuordnung“ ging auf zwei „Quell“-Gruppen zurück.
Da war zuerst die wieder erstandene Spielschar der „KAB St. Paulus e.V.“, die sich zur Theaterarbeit zusammenfand. Mit erstaunlichem Engagement und großer Begeisterung kam unter den Spielleitern Andreas Becker und Bernhard Exeler nach nur drei Monaten seit Kriegsende das christliche Spiel „Das Testament“ auf die Bühne, gefolgt 1946 vom Singspiel „Die schöne Müllerin“. Bis 1950 konnte diese Truppe mehr als 15 Volksstücke realisieren.
Ein zweiter Weg zur „Geburt“ der NDB bildete sich 1950 aus der am 11. November gegründeten Abendgesellschaft, deren Spielschar unter der Regie von Erich Mohnberg in personeller Zusammenarbeit mit der so genannten „Hollweg-Bühne“ (August Hollweg war Zeitungsredakteur bei der MV) zwei Märchenspiele ab 1951 auf der Freilichtbühne am Gradierwerk aufführte.
Das Lustspiel „Möllers Drüksken“, 1948, v.l.: Toni Riemeck, Adolf Fiekers, Mariechen Wolter
Im April 1952 kam es dann zur Fusion beider Spielscharen, und der damalige Bürgermeister Dr. Albert Biermann schlug den gemeinsamen Namen „Niederdeutsche Bühne Rheine“ vor, die unter der Spielleitung von Willi Walgenbach am 3. Mai 1953 im Paulushaus (seit 1946 wieder bespielbar) mit dem Lustspiel „Lasten-Utgliek“ (J. Füsting) ihren ersten Auftritt hatte.
Unvergessen bleiben die Märchenspiele am Gradierwerk und im Heimattiergarten als einmalige „Open-air-Aufführungen“: Im Juni 1953 wurde das Grimm-Märchen „Hänsel und Gretel“, in den Sommern 1954 und 1955 das Märchen „Das Gänseliesel und der Kuckuck“ mit großem Erfolg aufgeführt.
Bis zum Jahre 1955 (es war der 70. Geburtstag dieser Spielschar) konnte die Laienspielschar, die sich nunmehr „Niederdeutsche Bühne“ nannte, insgesamt 22 Theaterstücke auf die Bühne stellen, die von über 50.000 Zuschauern besucht wurden. An dem Festabend dieses Jubiläums erfolgte die Einladung seitens des Bürgermeisters an die NDB, den städtischen Theaterring mit einem plattdeutschen Spiel zu bereichern.
Und so kam es zu einem besonderen Höhepunkt in der Geschichte der NDB: Die Aufführungen im Theaterring A und B im ehemaligen Metropoltheater am 7. und 8. Januar 1956 mit der Komödie „Hahn giegen Hahn“ (H. Homann) und am 6. Februar 1958 mit dem Lustspiel „Muorg`n geih’t laos“ (F. Lange) wurden riesengroße Erfolge im „Profilager“, auch weit über die Stadtgrenzen hinaus! Dass die plattdeutsche Sprache von einem Großteil der Rheiner Bevölkerung verstanden wurde, zeigt die originelle Vorankündigung zu diesem Spiel: „Vandage plattdütsk Theater. Walgenbachs Willi spiellt met sine Jungs un Wichter“ heißt es in der MV vom 08. Februar 1958. Der Inhalt des Stückes, sein Autor und die Mitwirkenden der NDB werden im weiteren Text „plattdütsk“ vorgestellt, ein Zeichen dafür, wie die Mitglieder der NDB die plattdeutsche Sprache „hoffähig“ gemacht haben. Das führte den Gründungsauftrag weiter, die Brauchtumspflege und insbesondere die Pflege zum Erhalt der plattdeutschen Sprache lebendig zu halten.
Lustspiel „Fieraobendstunnen”, Szenenbild 1960
Großer Theatererfolg war dem Spiel „Jedermann“ von H. v. Hofmannsthal (August 1956) beschieden, und zwei Jahre später kam mit gleichem Erfolg „Opas Hörrohr“ (März 1958), das in der Aula des Schlaun-Gymnasiums in Münster auf Einladung des „Plattdütsken Binnenkrings“ realisiert wurde. Und so ging es weiter, aber die „Bremse“ musste angezogen werden: Eine Aufführung pro Jahr musste der NDB genügen.
Willi Walgenbach, seit 1919 als Spieler und seit 1949 als Spielleiter tätig, brachte im Jahre 1966 seine Amtszeit glanzvoll zu Ende. Unter seiner Leitung sind in 17 Jahren rund 70.000 Besucher in über 180 Aufführungen gekommen. Er schied im März 1966 aus, ab dieser Zeit übernahm Bernard Ruwe das Amt des Spielleiters.
„De Vüörhang göng un gaiht ümmers wieder up un to!“
Aus der Chronik der NDB: Von 1966 bis ins Jubiläumsjahr 2010 – Folge 3
Für die Spielleiter-Ära des Bernard Ruwe (1966 bis 1988) fallen dem Chronisten der „Niederdeutschen Bühne“ mehrere herausragende Ereignisse ein:
Am 14. Januar 1970 begrüßte die Laienspielschar den 100.000 Besucher beim Stück „De verflixte Hochtiedt“, es war gleichzeitig die 260. abendfüllende Aufführung von insgesamt 51 Stücken seit 1945. „Besonderer Höhepunkt war die Teilnahme beim Euregio-Eenacter-Festival in den Niederlanden im Jahre 1973“, erinnert sich Bernard Ruwe, und er ist heute noch stolz, unter 25 internationalen Theatergruppen „met sinen Jungs und Wichtern“ den vierten Platz erreicht zu haben. Stolz und Anerkennung auch in der eigenen Stadt: 1981 erhielt die NDB den Kulturpreis der Stadt Rheine.
Ensemble des Lustspiels „De vergnögte Tankstiär”, 1985
Das Jahr 1985 brachte das 100. Bühnenjubiläum. Die bisherigen mehr als 100 Vollveranstaltungen mit rund 370 Aufführungen brachten für jeden Laienspieler eine Belastung von je 1.200 Stunden mit sich. Aber die Mühen waren gern in Kauf genommen, wie eine große Dokumentationsausstellung in den Räumen der damaligen Stadtsparkasse am Heilig-Geist-Platz zeigte, Fotos und Zeitungsausschnitte sowie Archivmaterial von allen wichtigen Ereignissen aus den vergangenen 100 Jahren der NDB legten von den Erfolgen des plattdeutschen Laientheaters beredtes Zeugnis ab.
Am 5. Juni 1988 nahm die NDB am großen Festzug zum 1150. Geburtstag der Stadt Rheine teil, ihr Motivwagen war nach dem Bühnenbild des Historienspiels „Äbtissin aus Herford“ gestaltet. Und nach diesem Festakt ging das Spielleiter-Amt auf Brigitte Lipka über, die aber aus Krankheitsgründen nur zwei Jahre Regie führen konnte. Neuer Spielleiter wurde Ludger Quiter, der sein Amt erfolgreich bis 1997 ausübte. In seine Zeit fallen die Teilnahme an einem Theaterfestival in Recklinghausen (1990), der Gewinn des Wanderpreises des Kreises Steinfurt (1992) und, was einen großen Einschnitt im Theaterleben bedeutete, der Abriss des Paulushaus, das so viele Jahre die Bühne der NDB war.
Der „Mühlenhof“ (damals: Schützenhof Cordesmeyer) wurde nach dem Abriss des Paulushauses neues Domizil für die plattdeutsche Theatertruppe. Doch auch diese Spielstätte sollte mehr für Tragödien als für bäuerliche Schwänke und Lustspiele vorgesehen sein. In dieser Zeit trennten sich auch die Wege der KAB St. Paulus und der Spielschar, Niederdeutschen Bühne. Nach Unstimmigkeiten der Verantwortlichen der NDB und dem „Gastspielhaus“ Cordesmeyer zog die Schauspieltruppe im Jahre 2006 in die Aula der Elisabeth-Hauptschule um, wo sie auch jetzt noch auftritt.
Inzwischen (1997) hatte Christa Berning zusammen mit Werner Fislage die Spielleitung übernommen, der letztere wurde 2007 von Michaela Upsing abgelöst. Und dieses Spielleiterteam, in engem Kontakt mit dem Ersten Vorsitzenden Christoph Volkert, führte die NDB in den letzten Jahren bis zum Jubiläumsjahr, das mit der Aufführung „Quaterie in’t Treppenhuus“ (Jens Exler) seinen theatralischen Höhepunkt im März 2010 erleben wird.
„Malöör up’n Schultenhoff”, 2004, mit (v.l.) Stephan Wessing, Thomas und Guido Upsing
Und bis zum 125. Geburtstag der Bühne war es ein erfolgreiches und besonders abwechselungsreiches Theaterfeld, das den vielen Zuschauern noch in Erinnerung geblieben sein dürfte. Da sind noch allen Zuschauern die „Westfälischen Speziaer litäten in der Stadtsparkasse Rheine, der jährliche Nikolausauftritt und die traditionelle „Plattdütske Wiehnacht“ in bester Erinnerung. Als herausragende Nachmittags- und Abendvorstellungen wurden das Krimi-Lustspiel „Malöör up’n Schultenhoff“ (Klaus Uhlenbrock), „Up Düwels Schauwkaor“ (Karl Bunje), das turbulente Stück „Koppüöwer in’t Glück“ (J. Chapman und A. Marriott), „Up un daal met de Moraal“ (Franz Arnold und Ernst Bach) und das moderne Märchen „Nelly Tonnado“ (Klaus Uhlenbrock) aufgeführt, jeweils von Christa Berning und Werner Fislage ins Münsterländer Platt übertragen.
Die NDB hat ihren Auftrag, das heimische Brauchtum und die Pflege der plattdeutschen Sprache zu fördern, über 125 Jahre erfüllt und häff daoför suorgt, dat up de Bühne aals praot was, un dat de vüörhang ümmers up un to göng.
Der Blick zurück nach vorn
Aus der Chronik der NDB: „Hurra, wir leben noch!“ – Letzte Folge
Die „Niederdeutsche Bühne Rheine“ blickt in diesem Jahr auf 125 Jahre Vereinsgeschichte zurück. Ausgegangen von einer Spielschar des „Katholischen Arbeiterverein St. Paulus“, zusammengewachsen mit der Spielschar der Abendgesellschaft und der „Hollweg“-Bühne in Rheine, kann die NDB auf eine sehr lange und lebendige Theatertradition zurückblicken.
Über diese lange Zeit haben es insgesamt 22 erste und zweite Spielleiter geschafft, immer wieder junge Menschen für ein niederdeutsches Volkstheater zu begeistern. In diesem Zeitraum sind nachweisbar 110 Theaterstücke aufgeführt worden, die ein großes Spektrum volkstümlicher Literatur abdeckten: Es waren Schwänke und Bauernstücke, Krimikomödien und volkstümliche Lustspiele zu sehen, die alle ihr begeistertes Publikum gefunden haben. Daneben standen Aufführungen für Klein und Groß: Bemerkenswert waren die vielen Märchenaufführungen, besonders in den letzten 60 Jahren, und die zunehmende Beliebtheit an ernsten Bibel- und Historienspielen, letztere mit engem Bezug zur Stadt Rheine. Die Qualität der Laienspieler der NDB erlaubte sogar einen Ausflug in die „hohe“ Literatur („Jedermann“) und zweimal ein Engagement im Städtischen Theaterring.
Mit optimistischem Blick in die Zukunft (v.l.): Michaela Upsing (2. Spielleiterin), Christa Berning (1. Spielleiterin), Christoph Volkert (1. Vorsitzender)
Das Literaturangebot für deutschsprachiges Theater ist unendlich weit, aus diesem Fundus wurden die vielen „Klassiker“ ausgewählt und für mehr als zehn verschiedene Spielstätten inszeniert. Aber es wurden auch von Autoren der engeren Heimat Stücke für die NDB geschrieben, die hier erwähnt werden sollen: Otto Pötter aus Rheine, Günter Müller aus Lohne, Klaus Uhlenbrock aus Borghorst und Rüdiger Schulz aus Wettringen, einige ihrer Stücke mussten erst in die plattdeutsche Sprache gesetzt werden.
In diesem imposanten Angebot an Stücken sind nicht einmal die Auftritte mitgezählt, die teils in jährlicher Routine (Geschichten aus dem Kloster Bentlage, Nikolausumzüge, Weihnachtslesungen etc.), teils zu besonderen Anlässen (Auftritte in Bernburg, Geschichten rund um den Falkenhof, Bunte Nachmittage etc.) durchgeführt wurden. Und die meisten dieser Auftritte waren in plattdeutscher Sprache.
Aber das ist ja das Schöne an der NDB! „De twe Spraoken spriäken kann, de besitt mähr Bildung äs de, de men eene kann“ (Anton Hilckmann). Aber nur „bis zum Zweiten Weltkrieg verlief der sprachliche Alltagsverkehr auf plattdeutsch“ (Christoph Volkert), danach war das Plattdeutsche kaum noch Umgangssprache, die Laienspieler der letzten Spieler-Generationen mussten seither die plattdeutsche „Bühnensprache“ erst erlernen, ganz in dem Auftrag, der vor 125 Jahren der niederdeutschen Gründerspielschar erteilt worden war.
Das Publikumsinteresse war immer groß, viele Aufführungen zählten fast tausend Besucher bei einer einzigen Vorstellung (Open-Air am Gradierwerk, Theater im Metropoltheater), die anderen in drei bis fünf Aufführungen mindestens ebenso viele. Im Jahre 1950 konnten insgesamt 50.000 und 1970 schon 100.000 Besucher gezählt werden, und im Jubiläumsjahr dürfte die Zahl der Zuschauer von 200.000 sicherlich erreicht werden!
Aber der Spaß für das Theaterpublikum war immer und wird immer auch der Spaß am Theaterspielen sein. Die engagierten Spielleiterinnen und Spielleiter waren über 125 Jahre hin Vorbilder in Sprechkunst, Dramaturgie und Inszenierungen. Ihnen stand ein ebenso begeistertes „technisches Personal“ zur Seite, das für Kulisse und Kostüm, Ton und Technik, Malerei und Maske verantwortlich war. Und erst die Schauspieler und Schauspielerinnen!
Ein erfolgreiches Trio: (v.l.) Christa Berning (1. Spielleiterin), Bernard Ruwe (Ehrenspielleiter ), Christoph Volkert (1. Vorsitzender)
Das „künstlerische Personal“ konnte sich immer wieder generieren, in den Kreis erfahrener Spieler kam immer wieder der Nachwuchs. Aus diesem Prinzip entstanden sogar „Familien-Abos“, und von einer Generationsfolge kann Michaela Upsing, zurzeit zweite Spielleiterin, berichten, deren Familie seit über 40 Jahren auf dieser „Niederdeutschen Bühne“ steht. Und die Angst vor dem Lampenfieber war immer nur die Vorfreude vor der Szene: „125 Jaore Tietverdriew, met Glük un Leed up eene Siet“, nennt Christa Berning dieses Theatergefühl.
Ein Rückblick ist immer auch ein Blick in die Zukunft. Und es wird weitergehen, auf und hinter der Bühne! Und vor allem soll es weitergehen mit der plattdeutschen Sprache! Das Publikum möchte auch in Zukunft dieses Erbstück echter Heimatkultur nicht vermissen, es möchte die Freiheit in der plattdeutschen Sprache erleben, die sich ungeschützt in die Tabu-Nischen der modernen kommunikativen Direktheit flüchtet. Drüm doo di guet an use wunnerbare Platt, un haoll de Spraok in Ehren!